Außer unverkennbaren Modelqualitäten habe ich kaum Bezugspunkte zur hohen Kunst der Fotografie. Aber da Wissbegier, der Blick über den Tellerrand und die ständige Erweiterung des eigenen Horizonts die Grundlagen der Unternehmerpersönlichkeit sind, freute ich mich sehr über die Gelegenheit in die wundervolle Welt der Fotokunst einzutauchen.
„Trends in der Modelfotografie / Low-Budget-Modelfotografie“ war der Titel eines spannenden Vortrags der Fotokünstlerin und Medienethnologin Jamari Lior, der jüngst im Wilhelm Wagenfeld Haus Bremen stattfand. Ausrichter waren die Medien[plan]tage, ein Veranstaltungskonzept der Müller Ditzen AG, Druck- und Mediendienstleister aus Bremerhaven.
Ebenso wie die variantenreichen und schillernden Bilder, zeigt sich auch Jamari Lior als facettenreiche Persönlichkeit. Sie promovierte zum Dr. phil. in Medienethnologie, arbeitete mehrere Jahre selbst als Fotomodell, ist Buchautorin und Dozentin u.v.m. Gerade Wege gibt es nicht. Und so sind auch ihre Bilder ein Mix aus verschiedenen Stilen, traumhaften Andeutungen, leuchtenden Farben mit einem Schuss intellektuellen Spirits. Im Ergebnis entstehen sorgfältig arrangierte Fotos mit faszinierender Bildsprache und außergewöhnlicher Emotionalität.
Du bist Fotokünstlerin, Dr. phil. in Medienethnologie, Fotomodell, Buchautorin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dozentin und mehr. Wenn man so viel bewegt, wie schafft man es dann seine eigene Persönlichkeit zusammenzuhalten und sich nicht zu verzetteln? Gibt es einen persönlichen roten Faden in deinem Leben?
„meine persönlichkeit ist vermutlich, dass ich gerne aktiv bin und die vielfalt mag. eigentlich empfinde ich mein leben auch relativ stringent: medienwissenschaft, schwerpunkt bildmedien, stellt zwar eher die theoretische seite dar, aber man sollte als foto-dozentin nicht nur wissen, wann und wie man auf den auslöser drückt, sondern auch warum. kulturanthropologie verrät etwas über gesellschaftliche kontexte, – motive, bedürfnisse in gesellschaften und unterschiede zwischen unterschiedlichen gesellschaften. das ist interessant, wenn es um trendforschung geht oder um interkulturelle aspekte. meine auslandserfahrungen haben mir weitere neue perspektiven auf bildmedien gegeben, und waren letztlich der auslöser dafür, dass ich erst vor, dann hinter der kamera gelandet bin.“
Du hast deine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Ist das ein Fluch oder Segen? Einerseits machst du beruflich, dass, was dir Freude macht, aber anderseits fehlt dir so auch diese Passion irgendwo als ein Ausgleich?
„etwas anderes hätte ich mir nicht vorstellen können und ich bin dankbar über all das, was die fotografie und die wissenschaft mir ermöglicht haben, sei es ein ethnologischer fototrip durch asien oder das lustige shooting in einem meer bunter bälle im kinderland.“
Wo erhältst du deine eigenen Inspirationen und Ideen? Wie motivierst du dich?
„die sind wohl einfach da. inspirierend finde ich musik und gemälde, v.a. die alten meister. auch gedichte geben mir neue impulse – leider komme ich aber nicht dazu, auch nur einen bruchteil umzusetzen.“
Autoren, Maler, Musiker haben alle ein Problem. Woran erkennst du wann ein Bild „fertig“ ist und keiner weiteren Optimierungen, aufnahmetechnisch oder digital, mehr bedarf?
„wohl an der deadline ;-) – wenn ich ältere fotos von mir sehe, möchte ich oft noch “draufrumbearbeiten”. wann immer die arbeit einen künstlerischen touch hat, ist man wohl nie zufrieden mit sich und dem ergebnis…“
Im Marketing predigt man häufig „Spezialisierung anstatt Diversifikation“. Dein Werk zeichnet sich durch Vielfältigkeit und viele verschiede Stilrichtungen aus. Was spricht für dieses breite Spektrum anstatt einer handfesten Konzentration und Perfektion eines Stils?
„das hat bei mir viele gründe. zunächst langweilt es mich einfach, zu lange dasselbe zu machen. ich suche ständig neues, auch ausserhalb der modelfotografie. zudem bin ich viel in der lehre beschäftigt und da finde ich es sehr wichtig, einen überblick über verschiedene stile und techniken first hand erhalten zu haben. nur so kann ich für unterschiedliche stile tipps geben.“
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen, möchte man sich als Fotokünstler selbstständig machen und davon auch noch leben?
„das kann ich nicht sagen – ich kenne schwer talentierte fotografen, die gescheitert sind, ich kenne zurückhaltende und forsche, ruhige und nervöse, marketingtalente und welche, die nur von der mundpropaganda leben, technikfreaks und solche, die quasi nur im automatikmodus arbeiten.“
Verfolgst du noch einen besonderen Traum? Welches Projekt würdest du gerne umsetzen, wenn du grenzenlose Ressourcen hättest und nichts schiefgehen könnte?
„na klar – ein jahr auszeit und zusammen mit einem model um die welt shooten!“
Selbstvermarktung ist sicherlich auch im Bilderbusiness ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wir bewirbst du deine eigene Marke? Gibt es empfehlenswerte Kommunikationskanäle?
„ich mache gar keine werbung. ich weiß, das ist schlecht, aber ich habe keine zeit dafür… oder nehme sie mir nicht dafür.“
Welche Musik findet man aktuell in deiner Playlist nach Feierabend?
„emilie autumn, vanessa mae, equatronic, asp u.v.a.“
Was kann man von Jamari Lior in naher Zukunft erwarten? Worauf können sich alle Fans deiner Fotokunst freuen?
„ganz bald: ein neues buch zum thema “experimentelle techniken” im addison wesley verlag!“
Also doch ein bisschen Werbung, puh, ich bin beruhigt. Vielen Dank Jamari Lior! Fazit: Ein toller Abend, voller Impulse auch für Fotolaien und natürlich vieler toller Bilder.
Danke für das Interview. Ich lese mir im Moment alles über Jamari Lior durch, da ich gerade studiere und mit dem Gedanken spiele einen Dr. in Phil zu machen und sie das alles geschafft hat.
Gruß,
Björn
*g* das ehrt mich – in welchem fach soll’s denn sein? oder andersherum, hast du schon ein thema in petto?