Viele kluge Berater und Sinngeber des Alltags predigen „Lass los um die Hände frei zu bekommen“, die Botschaft des DEICHBRAND-Festivals lautet „Halt durch und ziehe es noch mal auf – nur dieses Mal doppelt so groß und doppelt so professionell.“ Und dann kann es unter Umständen so werden: Die nunmehr 9. Auflage des DEICHBRAND Festivals steht in den Startlöchern! Die Großen der Bühne wie Die Toten Hosen, Sportfreunde Stiller und In Flames machen dem Zusatz „Rockfestival am Meer“ vom 18. – 21. Juli 2013 alle Ehre. Veranstaltungsort des Open-Airs ist wieder der Seeflughafen Cuxhaven/Nordholz. Rund 35.000 Besucher freuen sich auf knapp 70 Bands in vier Tagen. Fast aus dem Nichts heraus ist es den Machern innerhalb der letzten zehn Jahre gelungen, eines der beliebtesten Festivals Deutschlands aufzuziehen. Doch es war nicht alles immer eitel Sonnenschein.
Wer die Geschichte des Festivals mitverfolgt, weiß, dass es gar nicht selbstverständlich ist, in ein paar Wochen wieder sein Green Camp beziehen zu können. Und wer dazu noch Erfahrungen mit Veranstaltungsmanagement hat, weiß ohnehin, dass nichts selbstverständlich ist. Das einzige was man erwarten kann, ist das Unerwartete. Stellen Sie sich also vor, Sie sind Festivalveranstalter und starten mit dem ersten: Der Zuspruch ist gut, die Bands sind okay. Aber es gibt kein Geld. Folgejahr, der Zuspruch ist gut, die Bands werden besser, aber? Keine Kohle. Jahr 3, es wächst, tolles Areal, gutes Wetter, die Frisur sitzt, aber – kein Gewinn. 2008, das vierte Festival, tolle Bands, Scheißwetter, das Gelände säuft ab, Auftritte werden gecancelt, die Berichterstattung in der Presse ist schlecht und statt keinem Geld hat sich mittlerweile sogar ein fettes Minus über die Jahre angehäuft. Sie sind ganz unten angekommen, die Situation ist hoffnungslos: Verwandte, Freunde und die Hauskatze schütteln mitleidig den Kopf „Siehste, jetzt merkste selber, dass das nix ist, ne.“, Ihr (Privat!-) Konto zeigt eine negative Bilanz, dass Sie sich wundern, dass die ganzen Stellen überhaupt noch auf dem Auszug darstellbar sind. Was würden Sie in so einer Situation tun?
Vielleicht das, was die meisten von uns tun würden: Aufhören, einen „anständigen“ Job annehmen und den Rest ihres Lebens Schulden abbezahlen. Nicht so im Hause DEICHBRAND. Mark Engelke erzählt: „Wir saßen zusammen und es gab nur zwei Wege, aufhören oder aber es noch einmal so groß aufzuziehen, dass es im Erfolgsfall uns wieder finanziell gesundet.“ Die Entscheidung fiel bekanntermaßen für den zweiten Weg. Und so begannen die Planungen für ein Folgefestival erneut! Das Durchhaltevermögen wurde belohnt, es konnte ein Partner für das Management gefunden werden, der die angestrebte Professionalität einbrachte und mit dem aus der einstigen Veranstaltungs-GbR eine GmbH entstand. „Wir hatten aus der Not eine Tugend gemacht und lernten ganz einfach größer zu denken. Denn groß zu denken ist im Prinzip genauso anstrengend wie klein zu denken, also kann man es auch gleich richtig machen“, erzählt der DEICHBRAND-Gründer. Nicht zu verschweigen ist aber auch, dass alles folgende auch sehr harte Arbeite, fast schon Selbstaufgabe bedeutete.
Letztendlich erfolgte die Belohnung mit dem Erfolg des 2009er Festivals. Für das Protokoll auch hier wieder die Wetterlage: Man berichtete von „Hagelkörner(n), so groß wie ein Tischtennisball“. Und um die Wetterreihe zu komplettieren: 2012 kam es erneut zu wetterbedingten Schwierigkeiten, Regenfälle und ein Sturmtief zogen Fläche und Bühne arg in Mitleidenschaft, was aber die Fans des Festivals nicht mehr sonderlich störte. Ein wenig Wetterkapriolen gehören mittlerweile einfach zum guten Ton dazu.
Das Neue kommt also auch durch Durchhaltevermögen in die Welt, manchmal wohl auch entgegen der rationalen Vernunft. „Wir glaubten unerschütterlich an die Marke DEICHBRAND und konnten uns jedes Mal wieder für sie begeistern. Den größten Zuspruch erhielten wir dabei aus der Szene, die sich immer lobend über das Festival äußerte.“, so Marc Engelke, „Entscheidend war letztendlich der Zusammenhalt in unserem Team. Ohne eine Crew, die mit dir zusammen die Sache gegen alle Widrigkeiten der Welt durchzieht hast du keine Chance.“ So gehören auch heute noch einige Crew-Mitglieder aus den ersten Tagen zum festen Stamm des Unternehmens DEICHBRAND. Entscheidend in einer Talsohle ist die Fähigkeit sich selbst herausnehmen zu können, einen geistigen Schritt zur Seite zu machen und aus der Perspektive des Außenstehenden Zusammenhänge neu zu erkennen, zu bewerten und zu verändern.
Schnell war den Initiatoren klar, um Erfolg zu haben muss auch ein Festival wie ein Unternehmen betrachtet und geführt werden. Gerade beim DEICHBRAND Festival haben sich durch diese Betrachtungsweise wichtige Strategien etabliert. „Wenn wir etwas wollen, wollen wir es wirklich zu 150 Prozent gut machen und nicht nur durchschnittlich. Dabei stellen wir uns nicht die Frage, ob das irgendwie klappt, sondern wie es klappt. Denn wenn das Ziel klar ist, kann der Weg auch durchmuddeln sein, es funktioniert trotzdem.“, erzählt Engelke. Auch ein Plan B ist hilfreich: „Wir peilen immer das Optimum an. Aber wir haben dennoch stets ein bis zwei kleinere Pläne in der Schublade für viele Aktionen, so dass im Bedarfsfall auch mit kleineren Mitteln ein tolles Erlebnis gezaubert werden kann.“ Ein Faible für Veränderung und Entwicklung ist die Grundvoraussetzung für ein Tätigkeitsfeld in dem es fast keine vorgefertigten Lösungen gibt.
Auch in Sachen Geschäftstüchtigkeit geht das DEICHBRAND Festival neue Wege. Denken in Produkten anstatt ausschließlich in Bands lautet das Erfolgsgeheimnis. „Wir denken in Produkt- und Markenwelten, diese beinhalten z.B. das Merchandising. Hier verkaufen wir nicht nur Massenware, sondern versuchen auch immer wieder Highlights in kleiner Stückzahl, aber mit Wert anzubieten.“ Auch im Bereich Mitarbeiterführung kann so mancher Betreib etwas von Festivalunternehmungen dieser Art lernen. Der DEICHBRAND-Arbeitgeber: „Die Arbeitszeiten sind furchtbar, die Bezahlung schlecht und der Stress ist enorm groß und dennoch lieben wir das, was wir tun! Unser Thema und unsere Marke sind einfach emotionalisierend, jeder ist mit Herzblut bei der Sache. Ich denke hier liegt der größte Unterschied zu vielen Unternehmen in der Wirtschaft, die sich über Ihre Mitarbeiter beklagen bzw. eine Kultur der Arbeit nach Plan und eine dementsprechende Arbeitsmoral geschaffen haben. Nur eine aufregende Marke schafft es das Feuer zu entfachen.“
Die Marke macht’s. In diesem Sinne: Wir sehen uns am Bierstand oder wenn es ganz gut läuft bei Atari Teenage Riot auf dem DEICHBRAND Festival.