Überlegen Sie einmal kurz: Verbinden Sie das Handwerk mit „Neuem Denken“? Das Handwerk hat – als ehemaliger Handwerker (Drucker) erlaube ich mir diese Aussage – oftmals den Ruf, dass es dort zwar solide und ordentlich zur Sache geht, aber nicht unbedingt ein Hort für Innovationen und Kreativität ist. Da gibt es vermutlich andere Branchen, die eher spontan mit „Neuem Denken“ verbunden werden. Dieses Vorurteil ist nach meinen Erfahrungen – sowohl als Handwerker, Unternehmer und Berater, längst nicht mehr tragbar. Viele Handwerker und Handwerksunternehmen sind in Wirklichkeit durchaus innovativ, kreativ und aufgeschlossen für das Neue Denken.
Für Menschen mit Vorurteilen in der skizzierten Richtung, wäre die Veranstaltung „Neues Denken“ für die angehenden Betriebswirte der Akademie des Handwerks im September im BRIG (Bremerhavener Innovations- und Gründerzentrum) genau das Richtige gewesen. Denn dann hätten sich die Fehleinschätzungen zur vermeintlichen Trägheit des Handwerks zweifellos in Luft aufgelöst. Ich durfte bereits zum vierten Mal die Veranstaltung als Vortragender begleiten.
Vier satte Stunden lang hörten sich die rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer drei Referate über die Frage an, wie aus Denken Praxis wird – und unter anderem auch darüber, wie Brüche und Niederlagen die Basis für einen erfolgreichen Neuanfang sein können. Während der Vorträge und zwischen den Vorträgen sowie im Anschluss an diese drei tiefen Einblicke in die unternehmerische Praxis wurde von den künftigen Handwerks-Betriebswirten so leidenschaftlich und intensiv diskutiert.
Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer der BRIG, Dipl. Oec. Arno Zier und einer kurzen Gästevorstellung verbreitete Geschäftsleiter Horst Berbrich vom Institut für Fluidtechnologien in Bremerhaven Mut zur Innovation. Dieses Unternehmen ist verhältnismäßig unbekannt und dabei doch sogar weltweiter Marktführer. Diese beneidenswerte Rolle verdankt die Elf-Personen-Firma des von ihr entwickelten induktiven Schutzsystems, das Ablagerungen in Rohren von Industriebetrieben und Kläranlagen den Kampf angesagt hat. Längst ist das Institut für Fluidtechnologien auch im Ausland erfolgreich und verkauft zum Beispiel nach China.
Wie die Firma in ihrem kleinen Segment so groß und so bedeutend geworden ist? Horst Berbrich erklärte das unter anderem mit dem Verzicht auf Preisdumping. In erster Linie müssen Produkt beziehungsweise Dienstleistung überzeugen; der Preis ist nachgeordnet. Sein Tipp: „Einen Monat lang darüber nachzudenken wie man Geld verdienen kann, bringt mehr als einen Monat lang zu arbeiten.“
Als zweiter Referent behandelte ich das Thema „Wie verändern sich Lebensläufe und wie verändert sich die Welt.“ Meine Erkenntnisse, abgeleitet aus meinem Lebenslauf: 1. Mach dein Ding, es gehen überall Türen auf mit der richtigen Perspektive. 2. Loslegen und Machen, der Rest findet sich, trotz Planunvollkommenheit und anfangs wenigen Fähigkeiten. Und 3. Man muss lernen sich selbst immer wieder neu erfinden zu können.
Das gilt auch für das Business. Der zweite Teil des Vortrags drehte sich um die Welt von Morgen und wie Unternehmen ihr begegnen können, beispielsweise durch mehr Kooperationen und Netzwerke. Eine meiner Anregungen an dem gelungenen Abend im BRIG lautete: Niemals dürfen sich Unternehmer sicher sein, dass sie mit dem, was sie heute tun, auch noch zukünftig Geld verdienen könnten. Sie müssen die gesellschaftlichen Veränderungen stets gründlich beobachten und daraus Schlussfolgerungen ziehen.
Die Veranstaltungsreihe „Neues Denken“ war und ist keine Eintagsfliege. Vielmehr besteht die Veranstaltungsreihe „Neues Denken“ schon seit 1994. Initiator war Horst Lüdtke von der Akademie des Handwerks, der auch 2013 eingeladen hatte. Lange Zeit war Herr Lüdtke Leiter der Bremerhavener Außenstelle der Handwerkskammer Bremen. Heute ist er Vorsitzender des Prüfungsausschusses für die Betriebswirte des Handwerks. Das Konzept ist seit 1994 gleich geblieben, nämlich drei Unternehmensvertreter über Aufs und Abs berichten zu lassen und in den Dialog mit den angehenden Betriebswirten des Handwerks einzutreten. Dass es die Veranstaltungsreihe „Neues Denken“ schon seit 1994 gibt, unterstreicht, wie innovativ und zeitgemäß das Handwerk ist – allen anders tickenden Betrachtungen und Vorurteilen zum Trotz.