Ich treffe Thorsten Krüger, Bürgermeister der Stadt Langen, 12 Uhr mittags in seinem Büro. Ein Flachbildschirm auf dem Gang zählt die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden zum nächsten großen Coup: Die Zusammenschließung der Stadt Langen und der Samtgemeinde Bederkesa zur Stadt „Geestland“. Krüger besticht durch seine Präsenz und beschreitet immer wieder ungewöhnliche, kreative Wege zum Glück. Da war z.B. der Verkauf der sogenannten „Statt-Aktie“ der „Stadt Langen AG (Aktive Gemeinschaft)“, die den Bewohnern ermöglichte aktiv die freiwilligen Leistungen der Stadt mitzufinanzieren, die plakative Darstellung der Schuldenentwicklung in Form einer Pappkarton-Ausstellung, in der jedes Exponat einen Wert von einer Million Euro darstellte oder der Bürgerfonds, ein Spenden-Netzwerk, das Projekte, Aktionen und Veranstaltungen ebenfalls im freiwilligen Bereich unterstützt. So viel Ideenreichtum vermutet kaum jemand in einem politischen Amt, da muss doch irgendwo ein Unternehmerherz schlagen?
„Wenn man meinen Lebenslauf betrachtet, sieht man, dass ich beide Seiten kennenlernen durfte. Es war stets mein Wunsch zu gestalten und nicht gestaltet zu werden.“, sagt der Diplom Verwaltungswirt, der seit 2005 Bürgermeister der Stadt Langen ist. Seine Geschichte beginnt mit einer auf den ersten Blick ausweglosen Situation: Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen einen Betrieb mit fast 54 Mio € Schulden. Da geht nichtwirklich viel. „Mein wichtigstes Ziel war und ist die Entschuldung, denn nur so bekommen wir die Handlungsfreiheit und die Möglichkeit zurück, eine Zukunft nach unseren Vorstellungen zu formen.“, sagt der gebürtige Bremerhavener, „Diese klare, übergeordnete Zielvorstellung ist das Leitmotiv an denen alle Aktionen ausgerichtet sind.“
Die ersten Schritte bestanden darin, die wichtigsten Handlungsfelder zu erkennen und zu bearbeiten, herauszufinden, wo sind die Kernaufgaben, deren Bewältigung wiederum einen Großteil anderen Probleme lösen. Daraus resultierten Zielvorstellungen, die sich einerseits pragmatisch am Machbaren orientierten aber zusätzlich lernfähige, dynamische und anpassungsfähige Zielwege zuließen.
Thorsten Krüger ist jemand, der dann hingeht und die Umstände sucht und schafft, die ihm bei der Zielerreichung helfen. Einen wichtigen Baustein findet er in der Unterzeichnung von Zukunftsverträgen mit dem Land Niedersachsen und dem Kreis Cuxhaven für die Vergabe von Entschuldungshilfen. Eine Auflage besteht in der Fusion der Stadt Langen mit der Samtgemeinde Bederkesa.
Eine Fusion kann nur funktionieren wenn sie von den Betroffenen auch getragen wird. Menschen halten im Zweifelsfall eher an bewährtem fest, auch wenn die langfristige Perspektive offensichtlich Besserung verspricht. „Der Schlüssel für mich ist die Kommunikation. Wir haben viele Gespräche geführt und versuchen jeden mitzunehmen. Wir dürfen nicht müde werden den Nutzen dieser Fusion immer und immer wieder für jeden einzelnen herauszustellen. Der Zusammenschluss ist von Menschen für Menschen, das ist unser Fundament.“, erzählt Krüger. Darauf aufbauend werden die Säulen des Konstrukts sichtbar: Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit und Dauerhaftigkeit tragen die Entwicklungen. „Die Fusion funktioniert weil so viele daran beteiligt sind und sie mittragen. Wir leben von der Unterschiedlichkeit der Ortschaften, den verschiedenen Kulturen und den unterschiedlichen Stärken. Ich trage die Hoffnung, dass wir untereinander voneinander lernen werden, dann können wir auch gemeinsam eine neue Erlebniswelt gestalten.“, sagt der Initiator.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Bereitschaft zu lernen und die Flexibilität bei auftauchenden Problemen den Weg zu ändern aber nicht das Ziel. So gab es z.B. anfangs Hürden bei der Namenswahl. „Dynamische Prozesse sind selten auf den Punkt genau vorausplanbar. Wir konnten bislang die auftauchenden Hürden meistern, indem wir von Anfang an für eine hohe Transparenz sorgten. Wir haben früh damit begonnen die positiven Veränderungen auch sichtbar und begreifbar zu machen. Daraus hat sich eine kraftvolle Eigendynamik entwickelt. Ich möchte den Menschen nicht einfach nur eine Lösung vorsetzen und sie vor vollendete Tatsachen stellen, sondern sie zu Mitinitiatoren werden lassen.“, sagt Thorsten Krüger, wohlwissend, dass der Weg noch nicht zu Ende ist, „Die letzten 5 Prozent zur Zielerreichung kosten nochmal 85 Prozent der Energie extra. Und machen wir uns nichts vor: Projekte in einem fließenden Prozess sind selten wirklich fertig. Es wird immer wieder Veränderungen und neue Aufgaben geben.“
Zum Erfolgsrezept der Veränderung gehören zudem tragfähige Kompromisse und der Aufbau eines Systems, was nicht personenabhängig ist, mit der Verantwortung, das schließlich auch Stück für Stück zu übergeben. „Mein größter Wunsch ist, dass wir endlich wieder anfangen zuzuhören, was die Menschen wollen und klar sagen, was geht und was nicht geht. Und, dass wir es wieder schaffen in lang- und mittelfristigen Perspektiven zu denken.“, blickt Bürgermeister nach vorne.
Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Woher schöpft Thorsten Krüger die Kraft und Motivation? „Ich denke grundsätzlich positiv und sehe eher das Machbare als in allem etwas Unmögliches. Das ist mein Antrieb, Spaß an Veränderungen zu erleben und mit Menschen in Kontakt zutretet. Und dazu habe ich den besten Job den es gibt.“, sagt Krüger, „Mich interessiert nicht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Ich sehe auf den Freiraum, der zur freien Gestaltung offen ist.“