Eine fesselnde Erzählung ist die Basis erfolgreicher Werbung und glaubwürdiger Markenkommunikation. Der Nutzen einer gut erzählten Geschichte ist weitaus länger bekannt als das omnipräsente „Storytelling“ aus dem Beratersprech – Kinder- und Hausmärchen begleiten die Menschheit seit Anbeginn. Doch das konventionelle Märchen hat ein Problem: Es war einmal. Konventionelle Märchen und ebenso konventionelles Marketing haben den Nachteil, dass die Botschaft, einmal gesendet, schnell wieder in Vergessenheit gerät. Dem kann man natürlich entgegenwirken, wenn man dieselbe Geschichte wieder und immer wieder erzählt, aber das ist auf die Dauer teuer und langweilt arg. Die Lösung: Die Geschichte muss für den Empfänger erlebbar und interaktiv gestaltbar werden, dann wird er zum Teil der Botschaft.
Was also tun, wenn man das tapfere Schneiderlein ist und von seinen handwerklichen Vorzügen künden will? Früher hätte er seine Hörer versammeln, die passiv seinen Worten lauschten. Nach dem alles guten Ende wäre man auseinander gegangen mit dem Worten: „Joa, ganz nett.“ Aber das macht noch keinen Helden. Heute stehen dem TS eine Vielzahl von Medien zur Verfügung um sein Image und sein Anliegen glaubwürdig zu vermitteln. Der Vorteil ist, dass die Geschichte mit dem letzten gesprochenen Satz erst richtig anfängt sich zu entwickeln und lebendig wird. Nun wird sie aus verschiedenen Perspektiven vom „Kunden“ beleuchtet oder in das private Umfeld integriert. Die Film- und Spieleindustrie macht es wunderbar vor, wie sich Storys auf verschiedenen Kanälen fortspinnen können und so zu ganzheitlicher Absatzfreude führt. Dieses Momentum gilt es zukünftig auch verstärkt im Marketing des eigenen Unternehmens einzusetzen.
Seit einiger Zeit bietet ein neues Marketingkonzept den Kunden Unterhaltung und die Möglichkeit zum Mitmachen, weckt dadurch Interesse, erschließt neue Kundengruppen und ist deshalb unter Umständen wesentlich erfolgreicher als herkömmliche Werbemethoden. Es handelt sich dabei um das Transmedia Storytelling. Bei dieser Methode wird eine Geschichte, die eine bestimmte Information oder eine Werbebotschaft vermittelt, über verschiedene Medien verbreitet. Die Teilgeschichten bilden im Idealfall Einheiten, die für sich stehend verständlich sind, aber die Neugier auf mehr wecken. Wenn das Storytelling gelungen ist, macht sich der Kunde in verschiedenen Medien regelrecht auf die Suche nach weiteren Teilen der Geschichte und mehr Informationen. Einbezogen werden dabei herkömmliche Medien wie Bücher, Zeitschriften, Film und Fernsehen und neue Medien wie Internet oder Smartphones. Einer der großen Vorteile des Transmedia Storytelling ist, dass die Kunden in den Medien “abgeholt” werden, die sie bevorzugt benutzen.
Einer der führenden Experten für Transmedia Storytelling ist Patrick Möller. Seit 2011 bietet er in seiner Agentur imaginary friends interessierten Firmen aus unterschiedlichen Branchen die Entwicklung und Umsetzung transmedialer Konzepte an. Möller entwickelte diese spezielle Marketingmethode auf der Grundlage seiner Erfahrung mit dem Einsatz von Alternate Reality Games im Marketing. Heute gehören zu den Kunden der Agentur namhafte Verlage, Firmen aus der Filmbranche, aber auch Technologie-Unternehmen.
Ein schon relativ erprobter Einsatz des Transmedia Storytelling wäre beispielsweise die Werbung für einen Film. Hierfür könnten im Internet Hintergrundinformationen zu der im Film erzählten Geschichte auf einer Homepage preisgegeben werden. Die auf diese Weise geweckte Neugier würde vielleicht mit einem Trailer auf YouTube teilweise gestillt, teilweise noch weiter geschürt. Weitere Fragen oder Antworten oder beides können überraschend oder angekündigt (“Schauen Sie sich in Ihrer Umgebung um und erfahren Sie mehr!”) auf Plakatwänden stehen. Ebenso bieten sich Zeitschriften an, die mit Fotos und weiteren Teilen der Geschichte die Leser dazu anregen, letztlich den Film im Kino zu sehen. Nach der Filmpremiere können im Internet und in Zeitschriften Hintergrundinformationen zu den einzelnen Charakteren verbreitet werden. Bei sehr erfolgreichen Filmen schreiben Fans in der sogenannten Fan Fiction die Geschichte, die im Film erzählt wird, im Internet weiter. Schon länger sind zu Fernsehserien Spin-offs üblich. In diesen werden in Buchform weitere Geschichten über die Protagonisten der Serie erzählt oder Nebenfiguren zu Hauptfiguren neuer Storys gemacht.
Noch nicht ganz so erprobt, aber deshalb sicher nicht weniger wirkungsvoll wäre beispielsweise das Transmedia Storytelling zur Markteinführung eines beliebigen neuen Artikels. In diesem Fall könnte eine geheimnisvolle Geschichte um Sinn und Zweck des Artikels entwickelt werden. Dann könnten ins Internet Filme über einen Teil dieser Story eingestellt werden und parallel in Zeitungen und Zeitschriften Anzeigen oder PR-Artikel erscheinen, in denen weitere Aspekte der Geschichte um dem geheimnisvollen Artikel verraten werden. Vorstellbar wäre zusätzlich eine Art Detektivspiel, bei dem die Interessenten in ihrer Umgebung nach Hinweisen rund um den beworbenen Artikel suchen können. An dieser Stelle könnten bereits die Läden, in denen die entsprechende Ware verkauft werden wird, als Quelle für weitere Informationen ins Storytelling einbezogen werden. Über das Medium Smartphone ist es möglich, Signale zu geben, wenn der Interessent sich in der Nähe einer weiteren Informationsquelle befindet, die gleichzeitig spätere Bezugsquelle sein kann.
Transmedia Storytelling kann als Marketinginstrument besonders wirkungsvoll sein, weil die Gruppe der Konsumenten, die durch den Einsatz der verschiedenen Medien erreicht wird, naturgemäß wesentlich größer ist als bei der Beschränkung auf die ein oder zwei Medien, die bei herkömmlichen Marketingaktionen genutzt werden. Zudem bietet das Transmedia Storytelling den Interessenten die Möglichkeit, je nach persönlicher Vorliebe eher (inter-)aktiv oder eher passiv (aber trotzdem neugierig) zu sein. Das Transmedia Storytelling fesselt die Aufmerksamkeit der Kunden durch Abwechslung, Spannung und die Möglichkeit zum Mitmachen, was mit den üblichen Werbeaktionen wie Anzeigen oder Werbespots schwierig bis unmöglich ist.
Alles, was es für das Transmedia Storytelling braucht, ist Fantasie und ein gutes Konzept, das möglichst viele verschiedene Medien und damit mögliche Interessenten einbezieht. Doch dafür gibt es ja bereits Experten wie den oben erwähnten Patrick Möller.
Wer sich für die Thematik und die Möglichkeiten interessiert, dem sei zum Einstieg der Vortrag „Transmedia Storytelling“ von Patrick Möller am 11.02.2014 um 18:00 Uhr in der „Alten Schnapsfabrik“ in Bremen. Weitere Informationen und Anmeldung finden Sie direkt auf den Seiten der medien[plan]tage.
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Endlich mal wieder ein ausführlicher und fachlich fundierter Artikel zum Thema und nicht billige Effekthascherei rund um ein Modewort.